Der bvse informiert den Mittelstand über Abfall, Sekundärrohstoffe, Recycling und Entsorgung.

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Wird ein Arbeitnehmer im bestehenden Arbeitsverhältnis unter Erweiterung seines Arbeitsvertrags um die mit diesem Amt verbundenen Aufgaben zum Abfallbeauftragten bestellt, unterliegt seine nach dem Kreislaufwirtschaftsgesetz einseitig mögliche Abberufung, mit der der Arbeitgeber auch die Anpassung des Vertrags rückgängig machen will, einer gerichtlichen Überprüfung nach § 315 BGB.

Eine Verletzung der in § 60 Abs. 3 KrWG iVm. § 55 Abs. 1a Satz 2 BImSchG vorgesehenen Verpflichtung zur Unterrichtung des Personalrats bei der Abberufung des Abfallbeauftragten führt nicht zu deren Unwirksamkeit1. Entsprechendes gilt auch für einen Verstoß der Arbeitgeberinm gegen die Verpflichtung zur unverzüglichen Anzeige der Abberufung bei der zuständigen Behörde nach § 60 Abs. 3 KrWG iVm. § 55 Abs. 1 Satz 2 BImSchG2. Die gesetzlichen Regelungen sehen die Unwirksamkeit der Abberufung als Rechtsfolge nicht vor.

Gleichwohl darf nicht angenommen werden, dass die Abberufung des Arbeitnehmers als Abfallbeauftragter keiner gerichtlichen Überprüfung unterliege:

Die Frage, welchen Wirksamkeitsvoraussetzungen die Abberufung eines Betriebsbeauftragten für Abfall unterliegt, lässt sich nicht unabhängig von dem ursprünglichen Bestellungsakt beantworten.

„Bestellung“ iSv. § 60 Abs. 3 KrWG iVm. § 55 Abs. 1 Satz 1 BImSchG ist die konkrete Zuweisung der Aufgaben eines Abfallbeauftragten iSv. § 59 KrWG im Rahmen eines bestehenden Vertragsverhältnisses. Entsprechendes galt nach den bei der (nochmaligen) Bestellung des Arbeitnehmers geltenden Regelungen, § 55 Abs. 3 KrW-/AbfG iVm. § 55 Abs. 1 BImSchG aF3.

Die Bestellung erzeugt für den Beauftragten keine Pflichten gegenüber der Überwachungsbehörde, sondern nur im Verhältnis zum Anlagenbetreiber. Es handelt sich daher um eine rein privatrechtliche Willenserklärung. Da die Bestellung nicht gegen den Willen des Beauftragten erfolgen kann, bedarf sie seiner Zustimmung4. Da ein Arbeitnehmer nur mit seiner Zustimmung zum Abfallbeauftragten bestellt werden kann, scheidet – soweit entsprechendes nicht bereits im Arbeitsvertrag vorgesehen ist – eine Aufgabenzuweisung im Wege des Direktionsrechts aus.

Durch die Bestellung einzelner Arbeitnehmer zu Funktionsbeauftragten im bestehenden Arbeitsverhältnis wird regelmäßig der Arbeitsvertrag nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen um die mit diesem Amt verbundenen Aufgaben erweitert. Nimmt der Arbeitnehmer das Angebot durch Übernahme der Tätigkeit an und dokumentiert er damit sein Einverständnis mit der Bestellung, wird der Arbeitsvertrag für die Zeitspanne der Amtsübertragung entsprechend geändert und angepasst. Wird die Bestellung wirksam widerrufen oder entfällt das Funktionsamt auf andere Weise, ist die Tätigkeit nicht mehr Bestandteil der vertraglich geschuldeten Leistung5.

Auch in dem hier vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fall sollte dementsprechend lediglich für die Dauer der wirksamen Bestellung der Arbeitsvertrag um die Wahrnehmung des Funktionsamts erweitert werden. Der Arbeitnehmer wurde nach seinem – für den öffentlichen Dienst typischen – Arbeitsvertrag „als Angestellter“ eingestellt und nicht als „Abfallbeauftragter“. Anhaltspunkte dafür, dass die Parteien abweichend von den Gepflogenheiten des öffentlichen Dienstes die vertragliche Verwendbarkeit des Arbeitnehmers dauerhaft einschränken wollten, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Die Arbeitgeberin wollte ihrer gesetzlichen Verpflichtung zur Bestellung eines Abfallbeauftragten genügen und die dafür erforderlichen vertraglichen Vereinbarungen treffen, aber keine weitergehenden Verpflichtungen eingehen. Der Arbeitnehmer strebte, wie es regelmäßig der Fall sein dürfte, keine – für ihn nachteilige – vertragliche Einschränkung auf die Tätigkeiten des Amtes an6. Die Parteien haben damit – konkludent – eine Änderung des Arbeitsvertrags für die Zeitspanne vereinbart, für die der Arbeitnehmer das Amt nach den gesetzlichen Bestimmungen ausübt.

Hinsichtlich der Abberufung eines Abfallbeauftragten sind ausgehend von den vorstehenden Erwägungen sowohl die gesetzlichen Vorgaben des Umweltschutzrechts als auch die Anforderungen, die sich aus dem Grundverhältnis – hier dem konkludent angepassten Arbeitsvertrag – ergeben, in den Blick zu nehmen.

Im Kreislaufwirtschaftsgesetz ist die Abberufung des Abfallbeauftragten nicht eigenständig geregelt7. § 60 Abs. 3 Satz 1 KrWG verweist für das Verhältnis zwischen dem zur Bestellung Verpflichteten und dem Abfallbeauftragten auf Regelungen des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zum Immissionsschutzbeauftragten. Dessen Abberufung ist allerdings ebenfalls nicht ausdrücklich geregelt. Sie wird lediglich als actus contrarius zu der Bestellung in § 55 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 1a Satz 2 BImSchG erwähnt und in § 55 Abs. 2 Satz 2 BImSchG als möglich vorausgesetzt.

Für die Abberufung des Abfallbeauftragten durch den zur Bestellung Verpflichteten stellt das Kreislaufwirtschaftsgesetz – auch iVm. den Regelungen des Bundes-Immissionsschutzgesetzes – damit keine spezifischen Anforderungen auf. Damit unterscheidet es sich von den Bestimmungen, die für den Datenschutzbeauftragten gelten. Dessen Abberufung ist nach § 6 Abs. 4 Satz 1 BDSG nur in entsprechender Anwendung von § 626 BGB zulässig, also beim Vorliegen eines wichtigen Grundes. Das Fehlen einer entsprechenden Regelung im Bundes-Immissionsschutzgesetz bedeutet aber – anders als das Landesarbeitsgericht Nürnberg8 gemeint hat – nicht, dass die Abberufung eines Abfallbeauftragten vollkommen „frei“ möglich wäre. Vielmehr sind, wie bei der Bestellung, auch die sich aus dem Vertragsrecht ergebenden Anforderungen des Grundverhältnisses zu beachten, soweit es sich dabei um ein Arbeitsverhältnis handelt9. Dies ist in den umweltrechtlichen Regelungen bereits angelegt. Soweit § 59 KrWG iVm. der Abfallbeauftragtenverordnung (AbfBeauftrV) die Bestellung eines internen, in einem Arbeitsverhältnis stehenden Abfallbeauftragten vorsieht, führt dessen Bestellung regelmäßig für die Dauer der Übertragung des Funktionsamts zu einer Erweiterung seiner arbeitsvertraglichen Pflichten. Damit unterliegt in der Folge die in § 60 KrWG iVm. § 55 BImSchG vorausgesetzte einseitige Abberufung durch den zur Bestellung Verpflichteten den Prüfungsanforderungen, die sich aus dem (Arbeits-)Vertragsrecht ergeben.

Zwar handelt es sich bei der Abberufung als actus contrarius zur Bestellung nicht um eine Ausübung des Direktionsrechts des Arbeitgebers. Auch wenn sie damit keiner Ausübungskontrolle nach § 106 Satz 1 GewO unterliegt, folgt daraus aber nicht, dass die einseitige Abberufung kontrollfrei wäre. Hierin liegt der Rechtsfehler des Berufungsurteils. Es hat nicht gesehen, dass die Abberufung als einseitige Leistungsbestimmung der Arbeitgeberin nach § 315 BGB der Billigkeit entsprechen muss.

Weder das Kreislaufwirtschaftsgesetz noch das Bundes-Immissionsschutzgesetz enthalten ausdrückliche Regelungen zur Abberufung der Abfall- und Immissionsschutzbeauftragten. Beide Gesetze erkennen jedoch eine besondere Schutzbedürftigkeit dieser Personen an, indem sie Bestimmungen zum nachwirkenden Kündigungsschutz und zum Benachteiligungsverbot treffen10. Letzteres deutet bereits darauf hin, dass der Gesetzgeber nicht von einer „freien“ Abberufungsentscheidung ausgegangen und die Abberufungsentscheidung des Arbeitgebers einer Überprüfung am Maßstab des § 315 BGB zu unterziehen ist. Denn diese Bestimmung ist entsprechend heranzuziehen, wenn ein Gesetz einem Beteiligten ein nicht näher konkretisiertes Bestimmungsrecht zuweist und der Vertragspartner, der der Bestimmung durch den Anderen unterworfen wird, eines Schutzes gegen willkürliche Vertragsgestaltung bedarf11.

Gegenstand von Leistungsbestimmungsrechten kann auch ein nicht-monetärer Leistungsinhalt bzw. eine Leistungsmodalität sein12. Das Bestimmungsrecht kann sich je nach der Parteivereinbarung sowohl auf Art und Umfang der Leistung als auch auf Leistungsmodalitäten beziehen13. § 315 Abs. 1 BGB ist eine Auslegungsregel, die greift, wenn die Parteien keinen anderen engeren oder weiteren Bestimmungsmaßstab vereinbart haben14. Die Beweislast dafür, dass entgegen der Auslegungsregel des § 315 Abs. 1 BGB eine Leistungsbestimmung nach „freiem Ermessen“, nach „freiem Belieben“ iSd. § 319 Abs. 2 BGB oder nach einem anderen Maßstab vereinbart ist, trägt der Bestimmungsberechtigte15. Auch wenn es vorliegend auf die Frage, ob die Abberufung selbst eine Benachteiligung sein kann, nicht entscheidend ankommt, dürfte im Übrigen eine Abberufung, die nicht billigem Ermessen entspricht, gegen das Benachteiligungsverbot verstoßen16.

Vorliegend haben die Parteien den Arbeitsvertrag für die Dauer der Übertragung des Funktionsamts angepasst. Diese Anpassung und die Bestellung zum Abfallbeauftragten war nur mit der (jedenfalls konkludent erteilten) Zustimmung des Arbeitnehmers möglich. Die nach den umweltrechtlichen Regelungen vorgesehene einseitige Abberufung durch den zur Bestellung Verpflichteten stellt sich in der Folge als eine einseitige Leistungsbestimmung des Arbeitgebers dar, welche die Anpassung des Arbeitsvertrags wieder rückgängig machen soll. Zum Schutz vor willkürlicher Vertragsgestaltung durch den Arbeitgeber bedarf es einer Kontrolle der Abberufungsentscheidung am Maßstab der Billigkeit. Es sind keine Anhaltspunkte dafür festgestellt oder vorgetragen, dass sich die Parteien bei der Anpassung des Arbeitsvertrags auf eine „freie Widerruflichkeit“ der Amtsübertragung geeinigt hätten. Damit muss nach der Zweifelsregelung in § 315 Abs. 1 BGB der einseitige Entzug des Funktionsamts durch die Arbeitgeberin billigem Ermessen genügen. Dem nahekommend ist im Übrigen die Arbeitgeberin jedenfalls bis zur Entscheidung des Landesarbeitsgerichts davon ausgegangen, für die Abberufung des Arbeitnehmers müsse ein sachlicher Grund vorliegen.

Im Rahmen der Billigkeitskontrolle ist zu beachten, dass die Arbeitgeberin für die Einhaltung des billigen Ermessens die Darlegungs- und Beweislast trägt17. Beruht die Leistungsbestimmung auf einer unternehmerischen Entscheidung, kommt dieser ein besonderes Gewicht zu, ohne dass das unternehmerische Konzept auf seine Zweckmäßigkeit zu überprüfen wäre18. Dies gilt auch für die Bestellung eines externen Abfallbeauftragten, die nach den umweltschutzrechtlichen Regelungen grundsätzlich möglich ist (§ 59 Abs. 1 KrWG iVm. § 5 AbfBeauftrV).

Der Arbeitnehmer kann allerdings einwenden, die Berufung auf eine unternehmerische Entscheidung sei rechtsmissbräuchlich oder die Entscheidung sei willkürlich19. Im Prozess hat der Arbeitnehmer die Umstände darzulegen und ggf. zu beweisen, aus denen sich dies ergeben soll. Der Vortrag des Arbeitnehmers, die unternehmerische Entscheidung sei lediglich „vorgeschoben“, kann danach grundsätzlich erheblich sein. Sollte das Arbeitsgericht – ggf. nach Erteilung sachdienlicher Hinweise, zu dem Ergebnis kommen, der Arbeitnehmer habe den für das Vorliegen einer willkürlichen oder missbräuchlichen Unternehmerentscheidung notwendigen Vortrag gehalten und ordnungsgemäß Beweis angeboten, sind die von ihm angetretenen Beweise zu erheben, soweit die Arbeitgeberin zuvor die Indiztatsachen ausreichend bestritten hat (§ 138 Abs. 2 ZPO). Die Ergebnisse der Beweisaufnahme sind unter Beachtung der den Arbeitnehmer treffenden objektiven Beweislast zu würdigen (§ 286 Abs. 1 ZPO).

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 18. Oktober 2023 – 5 AZR 68/23

  1. BeckOK UmweltR/Schwertner Stand 1.10.2023 BImSchG § 55 Rn. 4a mwN[]
  2. Jarass BImSchG 14. Aufl. § 55 Rn. 8, 6[]
  3. vgl. zum Ganzen BAG 26.03.2009 – 2 AZR 633/07, Rn.20 mwN, BAGE 130, 166[]
  4. vgl. BeckOK UmweltR/Queitsch Stand 1.10.2022 KrWG § 60 Rn. 11; Landmann/Rohmer UmweltR/Kersting Stand September 2023 KrWG § 60 Rn. 29 [EL 66 Juni 2012}. Die Bestellung ist von dem zwischen Anlagenbetreiber und Abfallbeauftragten bestehenden Grundverhältnis zu unterscheiden. Ist dieses Grundverhältnis ein Arbeitsverhältnis, bedarf die Bestellung zur wirksamen Aufgabenwahrnehmung auch einer entsprechenden arbeitsvertraglichen Verpflichtung des Abfallbeauftragten. Inwieweit hierfür eine Vertragsänderung, die konkludent möglich ist, erforderlich ist und mit welchem konkreten Inhalt ggf. der Arbeitsvertrag geändert und angepasst wird, ist durch Auslegung der Vereinbarung nach §§ 133, 157 BGB zu ermitteln ((vgl. zum Datenschutzbeauftragten BAG 23.03.2011 – 10 AZR 562/09, Rn. 29 f. mwN[]
  5. BAG 23.03.2011 – 10 AZR 562/09, Rn. 30; 29.09.2010 – 10 AZR 588/09, Rn. 15 ff., BAGE 135, 327; zu einer anderen Vertragslage vgl. BAG 13.03.2007 – 9 AZR 612/05, Rn. 29, BAGE 121, 369[]
  6. vgl. zu der typischen Interessenlage BAG 29.09.2010 – 10 AZR 588/09, Rn. 15, BAGE 135, 327[]
  7. vgl., zum Immissionsschutzbeauftragten und noch zu § 11b ff. AbfG – BAG 22.07.1992 – 2 AZR 85/92, zu B III 1 der Gründe[]
  8. LAG Nürnberg 27.10.2022 – 5 Sa 76/22[]
  9. aA Landmann/Rohmer UmweltR/Hansmann/Maciejewski Stand September 2023 BImSchG § 55 Rn. 38 [EL 93 August 2020]; Jarass BImSchG 14. Aufl. § 55 Rn. 8; strenger Landmann/Rohmer UmweltR/Kersting Stand September 2023 KrWG § 60 Rn. 30 [EL 66 Juni 2012] Abberufung nur aus wichtigem Grund möglich[]
  10. vgl. Däubler/Deinert/Zwanziger/Brecht-Heitzmann BAGchR 11. Aufl. § 58 BImSchG Rn. 18 f.[]
  11. BAG 22.12.2009 – 3 AZR 814/07, Rn. 33, BAGE 133, 50; vgl. auch BGH 13.06.2007 – VIII ZR 36/06, Rn. 16, BGHZ 172, 315[]
  12. BeckOGK/Netzer Stand 1.09.2022 BGB § 315 Rn. 6 f.[]
  13. MünchKomm-BGB/Würdinger 9. Aufl. BGB § 315 Rn. 33[]
  14. BeckOGK/Netzer aaO Rn. 71[]
  15. MünchKomm-BGB/Würdinger aaO Rn. 63[]
  16. vgl. BAG 26.03.2009 – 2 AZR 633/07, Rn. 21 und 33, BAGE 130, 166 zu § 55 Abs. 3 KrW-/AbfG iVm. § 58 Abs. 2 BImSchG[]
  17. vgl. zu § 106 GewO vgl. BAG 30.11.2022 – 5 AZR 336/21, Rn. 38; 30.11.2016 – 10 AZR 11/16, Rn. 28; jew. mwN[]
  18. zu § 106 GewO vgl. BAG 30.11.2022 – 5 AZR 336/21, Rn. 41; 30.11.2016 – 10 AZR 11/16, Rn. 30[]
  19. vgl. zu kündigungsschutzrechtlichen Fragestellungen: BAG 28.02.2023 – 2 AZR 227/22, Rn. 14[]

 

Mit freundlicher Genehmigung zur Veröffentlichung:

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