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EU-Vorgaben setzen Branche unter Druck

Ab 2030 greift die neue europäische Verpackungsverordnung (PPWR). Sie verpflichtet Unternehmen dazu, verbindlich Post-Consumer-Rezyklate (PCR) in Kunststoffverpackungen einzusetzen.

0827 crcDie Herausforderung ist enorm: Innerhalb von nur sieben Jahren müssen Hersteller ihren Rezyklatanteil etwa verfünffachen.

„Das wird für viele Unternehmen ein Kraftakt“, sagt Dr. Dirk Textor, Managing Director der Certified Recycled Content GmbH (CRC) und Vorsitzender des bvse-Fachverbandes Kunststoffrecycling. „Denn die hochwertigen Rezyklate, die für Verpackungen geeignet sind, sind schon heute knapp.“ Prognosen gehen von einem Fehlbedarf von bis zu 3,5 Millionen Tonnen in Europa bis 2030 aus (Conversio 2024).

Die Qualität ist das Nadelöhr

Während die Recyclingquote von Kunststoffverpackungen in Deutschland offiziell bei rund 67 Prozent liegt, werden lediglich sieben Prozent dieser Mengen tatsächlich als hochwertiges PCR wiederverwendet. Die Ursachen sind vielfältig: Materialschwankungen, störende Gerüche, dunkle Einfärbungen oder Stippenbildung erschweren die Verarbeitung in modernen Verpackungsmaschinen.

Besonders gravierend ist die Situation im Lebensmittelbereich. Mechanisch recycelte Polyolefine (PP, PE, PO) sind nach wie vor nicht für Lebensmittelverpackungen zugelassen. „Ein kompletter Marktbereich fällt damit als Abnehmer aus“, erklärt Managing Director Dr. Michael O.E. Scriba, Mitgründer von CRC und seit Jahrzehnten in der Kreislaufwirtschaft aktiv. „Das verschärft die Knappheit zusätzlich.“

Für kleine und mittelständische Verpackungshersteller bedeutet die neue Rechtslage ein hohes Risiko. Können sie die vorgeschriebenen Quoten nicht erfüllen, drohen Vermarktungsverbote. Gleichzeitig fehlen ihnen oft die finanziellen Möglichkeiten, sich die geforderten Mengen an hochwertigem Rezyklat am freien Markt zu sichern.

„Wir sehen hier eine echte Schieflage“, warnt Ansgar Schonlau, Managing Director, CRC-Mitgründer und Inhaber des Verpackungsherstellers Maag. „Während große Konzerne ihre Rezyklatkontingente durch langfristige Verträge sichern, stehen Mittelständler mit leeren Händen da.“

Zertifikatehandel als marktwirtschaftliche Lösung

Hier setzt das CRC-Zertifikatesystem an. Es erlaubt Unternehmen, die mehr PCR einsetzen als vorgeschrieben, diesen Überschuss in Form von Zertifikaten zu dokumentieren. Diese Zertifikate können dann von Markeninhabern oder Inverkehrbringern erworben werden, die ihre Quoten nicht erfüllen können.

Die Funktionsweise ist einfach, aber wirkungsvoll. Jede Transaktion wird über Blockchain-Technologie abgesichert, unabhängige Auditoren stellen sicher, dass die Mengen real und nachvollziehbar sind. Eine Doppelanrechnung ist ausgeschlossen. „Das schafft Transparenz und Vertrauen“, betont Textor.

Ökonomischer Anreiz, ökologischer Nutzen

Der Handel mit Rezyklatzertifikaten verbindet ökonomische und ökologische Vorteile. Pro Kilogramm eingesetztem PCR werden 1,5 bis 2,5 Kilogramm CO₂ eingespart, da fossile Neuware ersetzt wird. Verkäufer erhalten durch den Zertifikateverkauf ein zusätzliches Umsatzpotenzial und steigern die Rentabilität ihres Rezyklateinsatzes. Käufer wiederum sichern sich die Erfüllung gesetzlicher Vorgaben, auch wenn ihnen physisch nicht genügend PCR zur Verfügung steht.

„Der Rezyklateinsatz wird dadurch nicht nur ökologisch sinnvoll, sondern auch ökonomisch attraktiver“, sagt Scriba. „Das ist entscheidend, um die Transformation der Branche in Richtung Kreislaufwirtschaft voranzutreiben.“

Eine zentrale Bedingung des Zertifikatesystems ist, dass nur Verpackungen berücksichtigt werden, die nachweislich hochwertig recycelt werden können. Das zwingt Unternehmen dazu, ihr Verpackungsdesign anzupassen und recyclinggerechter zu gestalten. Der Effekt: mehr hochwertige Rezyklate auf dem Markt, weniger minderwertige Verwertungswege.

„Wir schaffen mit dem System einen Marktmechanismus, der Qualität belohnt“, erklärt Schonlau. „Wer recyclingfähige Verpackungen auf den Markt bringt, profitiert doppelt: durch eigene Zertifikate und durch eine höhere Nachfrage nach hochwertigen Rezyklaten.“

Klare Regeln, lückenlose Kontrolle

Die Teilnahme am Zertifikatesystem ist an strikte Bedingungen geknüpft. Gültig sind nur bestimmte Polymere wie PP, PO, PS, LDPE, HDPE und PET. Käufer müssen die Recyclingfähigkeit ihrer Verpackungen durch unabhängige Prüfstellen bestätigen lassen, Verkäufer verzichten durch den Verkauf der Zertifikate auf ihre eigene Anrechnung der Mengen. Damit wird eine Doppelzählung ausgeschlossen.

Der gesamte Materialfluss – von der gebrauchten Verpackung über die Sortierung und das Recycling bis hin zum Einsatz in neuen Produkten – wird durch unabhängige Auditoren überprüft. „Wir sorgen für 100 Prozent Transparenz und Nachweisbarkeit“, sagt Textor.

Rettungsanker für die Rezyklatpflicht

Mit dem Zertifikatesystem will CRC den Spagat zwischen gesetzlichen Vorgaben, knappen Rohstoffen und technischer Machbarkeit ermöglichen. Es bietet Unternehmen eine neue Form der Flexibilität und schafft gleichzeitig Anreize für eine nachhaltige Marktentwicklung.

Ein früher Einstieg, beispielsweise mit einem Ansparmodell für Verpackungshersteller – sowohl bei tatsächlichem Rezyklateinsatz als auch beim Zertifikatkauf – könnte außerdem helfen, die angespannte Lage vieler Recycler in Europa zu entschärfen.

„Unser Ziel ist es, den Einsatz von Rezyklaten in der gesamten Wertschöpfungskette zu stärken und die Kreislaufwirtschaft entscheidend voranzubringen“, so Scriba. „Die EU-Vorgaben sind eine große Herausforderung, aber mit marktwirtschaftlichen Instrumenten wie dem Zertifikatehandel können wir sie bewältigen.“

Informationen & Kontakt: https://crc.earth/

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